20. November – „El Día de la Revolución“

Am 20. November feiert man in Mexiko den Tag der Revolution und erinnert sich damit an den Beginn der Aufstände, die 1910 zum Sturz des damaligen Diktators Porfirio Diaz und dann zu 10 langen Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen unter den verschiedenen revolutionären Gruppen führten.

Wir hatten Glück, dass wir gerade heute in Zacatecas waren. Die Stadt im nördlichen Teil Mexikos ist von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt worden. Wahrscheinlich auch dank der finanziellen Mittel, die mit diesem Status verbunden sind, ist die Stadt sehr schön angelegt und gepflegt. Mit ihrer Gondel, sehr schönen Parks und lebendigen Gassen hat sie uns sehr gefallen. Zum Festtag gab es einen großen Umzug, auf den wir aufmerksam wurden, weil die Straßen rund um unseren Parkplatz abgesperrt wurden. Was für ein Glück!

Besonders Andreas war ganz beglückt, weil ihn die Darbietungen der jungen Leute aus Schulen, Vereinen und Militär an die Schützenfestumzüge seiner Heimatstadt Bieberach a.d. Riss erinnerten.
Die Zeiten waren für die Bewohner Zacatecas nicht immer rosig. Als die Spanier entdeckten, dass es in diesem Gebiet Silber (umd andere Erze) gab, vereinnahmten sie sogleich die Minen, machten die Indigenen zu Sklaven, die – unter ihnen auch Kinder – unter schwierigsten Bedingungen das Silber im Berg abbauen mussten. Das konnten wir auf eindrucksvolle Weise in der zum Museum umgestalteten Mine „El Eden“ nachempfinden.

Ein „Garten Eden“, ein Paradies, waren die Minen für die spanischen Silberbarone, die in „Nueva Espaňa“ zu großem Reichtum kamen; für die, die hier ursprünglich ansässig waren, und jetzt als Sklaven für sie schuften mussten, waren sie wohl eher die Hölle.

Erschreckend finde ich, dass die Conquistadores das jahrhundertelang gewachsene Stammesgefüge und die indigenen Kulturen innerhalb von sehr wenigen Jahren komplett zerstörten, die alten Ordnungen und Werte vom Tisch fegten und sich selbst als die Herren über Land und Menschen inthronisierten. (Was in so kurzer Zeit möglich war, erschreckt mich auch angesichts der aktuellen Bedrohungen unserer doch erst seit wenigen Jahrzehnten gewachsenen Demokratien.)

Fast 300 Jahre blieben die Conquistadores die uneingeschränkten Herrscher. Dann erst regte sich Widerstand. Mich tröstet, dass dabei einige (ungehorsame) Kirchenleute, vor allem der Jesuit Miguel Hildalgo, eine Anteil hatten. – In erster Linie diente die christliche Mission hier wie überall in den Amerikas doch in erster Linie der Konsolidierung der europäischen Kolonielmächte. – E⁴s dauerte mehr als 100 Jahre bis die Revolution tatsächliche Erfolge brachte.

Als ich in Zacatecas junge Frauen und Männer mit ernster Mine und Patronengürtel oder Gewehr marschieren oder tanzen sah, wurde mir bewusst, wie viel die Revolutionäre damals für ihre Überzeugung, ihre Freiheit und eine gerechte Verteilung eingesetzt haben – nicht weniger als ihr Leben.

Und ich dachte an einen meiner Schüler, eins sehr freundlicher, intelligenter und aufgeschlossener Typ, ein stolzer junger Kurde, der als Partisan für die Befreiung Kurdistans gekämpft und mit seinen 16 Jahren schon drei Mal durch Schusswaffen verletzt wurde. Nicht, dass ich für bewaffnete Auseinandersetzungen plädiere, aber etwas von dieser Entschlossenheit und diesem Mut wünsche ich mir, wenn es darauf ankommt, für das einzustehen, was ich in der Tiefe als wahr und richtig erkenne.


4 Anmerkung zu “20. November – „El Día de la Revolución“

  1. Deborah Müller

    „Für das einzustehen, was man in der Tiefe als wahr und richtig erkennt“, Corona zeigte vielen von uns, WIE schwer das sein kann, wie schnell man am Rand stehen kann, wie schnell man aufpassen muss, WAS man sagt, zu WEM man etwas von dem sagt, was man für sich als WAHRHEIT erkannt hat…
    Selbst in einem Land wie Deutschland, das von sich behauptet, demokratisch zu sein – Meinungsfreiheit des Einzelnen und des Journalismus eingeschlossen… (…)
    Ja, man kann den Mut solcher Menschen nur bewundern, die sogar bereit sind, ihr Leben zu riskieren, um für die Wahrheit (das, was sie als Wahrheit erkennen) einzustehen!

    Antworten
  2. Martin

    Nun ja, für die Wahrheit, an die man glaubt, zu kämpfen hat aber doch auch sehr viel Unglück, Krieg, Schmerz und Elend verursacht und tut es immer noch. Ich denke, wir können alle darauf achten lernen, dass wir nicht vorschnell urteilen, vorschnell etwas für wahr halten, uns aus dieser Selbstüberhöhung heraus für was besseres halten und unsere andersglübigen Mitmenschen dann bekämpfen. Gerade Corona ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür, wie wir uns auf den beiden meistens unversöhnlichen Sichtweisen doch ziemlich arg (ver)irren können – sowie aktuell das „Ukraine-Desaster“. Hier haben die geistigen Verirrungen bereits zu Krieg geführt; wenn sich diese Veirrungen und unversöhnlichen „Wahrheiten“ nicht auflösen, dann…

    Anders schaut es aus bei den – ich nenne sie mal – universellen spirituellen ethischen Grundwerten, z.B. Liebe und Freiheit. Wenn die gewaltsam unterdrückt und kontakariert werden ist es wohl legitim, sich zu wehren und dafür zu kämpfen. Fragt sich nur wie.

    Antworten
    1. Stefanie Autor des Beitrags

      Lieber Martin,
      ja, ich stimme dir zu: Das (krampfhafte) Festhalten an einem Urteil oder einer „Wahrheit“ verbunden mit dem Glauben etwas besser zu wissen, bringt bestimmt eher Zerstörung als Befreiung hervor.
      Ich frage mich aber, ob es nicht auch unsere Verantwortung ist, den Trumpisten & Co aktiv etwas entgegenzusetzen.
      Ich bin ganz einverstanden mit dem, was du sagst: „Wir kommen nur dann einen entscheidenden Schritt weiter, wenn wir uns von etwas leiten lassen, was größer ist als wir selbst“, wenn wir uns immer wieder Rückversicherung den mit dem „Urgrund des Seins“, GOTT, und bereit sind, Verwirrungen anzuerkennen u d zu korrigieren.
      🤓😘

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert