23. Januar 2023. Heute wollen wir zwei Grenzen überqueren: die von El Salvador nach Honduras und die zwischen Honduras und Nicaragua. Der Morgen beginnt schon grenz-wertig. Mich hat die Reiselust verlassen. Unsere Anfragen nach wwoofing- oder workaway-Plätzen sind alle negativ beantwortet worden. Und zwischen Andreas und mir ist die Stimmung auch nicht ungetrübt. Sollen wir wirklich noch weiterfahren? Vielleicht lieber umkehren? Früher nach Hause? – Glücklicherweise können wir uns produktiv austauschen und kommen gemeinsam zu dem Ergebnis, dass unsere Reise noch nicht zu Ende ist. Es geht noch ein Stück weiter nach Süden. Und wir sind wieder dankbar, dass wir das zusammen machen können. Also suchen wir unsere Papiere zusammen und hangeln uns durch die ersten Schritte der Grenz-Bürokratie. Die Ausreise aus El Salvador funktioniert reibungslos. Und ich habe den Eindruck, ich weiß langsam, wie es läuft.

An der honduranischen Grenzstation werden wir von einem „hilfsbereiten“ Mann in Empfang genommen und zuerst mal zu einem Kopierladen geführt. 3 Dollares für die Kopien der Pässe. – Ob das nötig war? – Dann dirigiert uns der nette Mann weiter zum Migrationsbüro. – Er selbst wird nicht eingelassen, was uns hätte stutzig werden lassen sollen. – Jetzt noch das Auto anmelden. Ja, er macht das für uns. Ich unterhalte mich derweil mit einem Mann, der unser Familienbild am Auto bewundert, und freue mich, mal wieder etwas Spanisch üben zu können. Dann sind wir fertig. Nur noch ein kleines Detail: „40 Dollares.“ „Wofür?“ „Der freundliche Herr zeigt uns die Rechnung des Zolls: 675 Lempira. „Okay, das sind 30 Dollar. Und wofür die 40?“ Der Mann deutet mit einer bescheidenen Geste auf einen Kollegen und sich selbst. Uns bleibt nichts anderes übrig als zu zahlen – jedenfalls fällt uns gerade nichts anderes ein. Als wir schon im Auto sitzen, klopft der Mann, mit dem ich über Familienangelegenheiten geplaudert habe, an die Scheibe. „Und ich als einziger soll leer ausgehen?“ Hombre! Glücklicherweise ist er mit 1 Dollar zufrieden.
Als wir zwei Stunden später an der Grenze zu Nicaragua ankommen, empfängt uns eine ganze Mannschaft von Hilfsbereiten. „Hey Andrés, cómo estás? Hey, Stefanie“, begrüßt uns einer. „Woher kennt ihr unsere Namen?“ frage ich entgeistert? „Unser Kollege hat uns Bescheid gesagt. Wir helfen euch, über die Grenze zu kommen.“ – Organisierte Hilfsbereitschaft. „Wie viel soll denn die Hilfe kosten?“ frage ich. „Nur winzige 20 Dollar“, sagt er. Jetzt haben wir Gelegenheit auszusprechen, was wir seit der letzten Grenze zu sagen geübt haben: „Danke, wir brauchen keine Hilfe!“ – Da sind sie tatsächlich verschwunden. Die Ausreise verlief problemlos.
Vor dem nicaraguanischen Grenzposten ließ schon eine kilometerlange Lkw-Schlange Schlimmes vermuten.

Als wir uns schließlich durch und daran vorbei geschlagen hatten, lief zunächst alles gut und ganz ohne Hilfsangebote. Dann standen wir beim Zoll. „Haben Sie Drohnen dabei?“ „Nein“, natürlich nicht, denn es ist bekannt, dass Nicaragua keine erlaubt. „Messer?“ „Ja“, ehrlich, wie ich bin, zeige ich ihnen die Besteckkiste und das Brotmesser, weil es offen rumliegt. Glücklicherweise geht das durch. Offensichtlich nicht für terroristische Anschläge geeignet. Dann kommt die Frage, die unseren morgendlichen Entschluss, weiter zu reisen, fast zunichte macht. „Binoculares?“ – Binoculares, ja stimmt, unser Fernglas, das haben wir in den letzten Wochen ganz aus dem Blick verloren. „Ach ja!“ sagen wir. Ist das ehrlich, oder muss man das einfach „naiv“ oder sogar „dumm“ nennen? Jedenfalls nimmt die junge Beamtin das gerade glücklich wiederentdeckte Fernglas mit – wohin? „Was ist mit unserem Fernglas?“ „Das bleibt hier.“ „Aber es ist unser Eigentum!“ „Sie können entweder mit dem Fernglas zurück nach Honduras oder ohne Fernglas weiterfahren.“
„Aber … Wo steht das geschrieben, dass Ferngläser verboten sind?“ – Nach einer halben Stunde intensiver Recherche können sie uns die Anordnung tatsächlich zeigen. Ich bin wütend und fühle mich ausgeliefert. Mist, oder vielleicht gut, dass ich die Sprache nicht beherrsche.
Nach einigen Hin und Her – es ist inzwischen dunkel geworden – sitzen wir schließlich im Büro der Grenzpolizei. Auch hier geht alles nur sehr schleppend. Ein junger Polizist befragt uns, spricht dann mit einem älteren Polizisten. Der tätigt einen Anruf in der Binaculares-Sache. Wir müssen ein exaktes Ausreisedatum nennen und die Orte angeben, die wir besuchen wollen. All das wissen wir noch nicht. Also sagen wir einfach irgendetwas. Dann bittet uns der Ältere in sein Büro und händigt uns großmütig das Gernglas aus. „Sie werden damit ja nicht …“ – Militärische Anlagen ausspionieren, den Präsidenten beim Nacktbaden beobachten…? Ich verstehe nicht, was genau er meint, sage nur: „Nein, so gut ist es nicht.“
Noch eine Unterschrift und wir dürfen gehen.
Wir sind in Nicaragua!
Kurz hinter der Grenze dürfen wir im Hinterhof einer Tankstelle übernachten. Morgens weckt uns der Hahn, der mit seiner Hühnerschar neben uns herumpickt.