Bodenlos

Ein sonniger Sonntagnachmittag. Wir stehen ziemlich weit abseits der Straße an einem wilden See, als wir das Problem bemerken. Unser Sprinter verliert Kühlwasser – und zwar ziemlich viel in sehr kurzer Zeit. Ein Wunder, dass der Motor bisher keinen Schaden genommen hat. Ein Blick unter die Motorhaube offenbart, dass wir selbst nicht viel tun können. Also werden wir morgen versuchen, eine Werkstatt zu erreichen und in der Zwischenzeit den Platz genießen.

Aber mir verleidet der herumliegende Müll den Genuss. Ich versuche mal wieder den Platz rund um unser Auto von Plastikflaschen, Chipstüten und Schokoriegelverpackungen zu befreien. Dazu nutze ich einige der vielen Plastiktüten, die wir von unseren Einkäufen mitgebracht haben. In einer halben Stunde und zwei Plastiktüten ist der Platz ganz passabel sauber – bis auf das, was der Wind von den Nachbargrundstücken herüberwirbelt. Am Seeufer aber ist die Müllflut unendlich. Nicht nur, dass die Menge der herumliegenden Plastikteile unendlich erscheint – viel zu viele für unsere Menge an Plastiktüten – die Wellen schwemmen in unendlicher Folge auch immer neuen Müll an. Hier, am Managua-See wie auch an anderen Seen und vor allem an den Badestränden am Meer ist die Müllflut unendlich.

Unsere ästhetischen Bedürfnisse verleiten uns immer wieder dazu, den Müll nicht mitzufotografieren. Gefühlt sind wir an diesem wattenmeerähnlichen Küstenstreifen knöcheltief durch angeschwemmten Müll gelaufen.

Guides und Tourenveranstalter haben uns immer wieder versichert, dass es Initiativen und Programme mit Freiwilligen oder Schulklassen gibt, diesem Mitbringsel der Zivilisation Herr zu werden – offensichtlich vergeblich. Abgesehen davon, dass es vielen Menschen in Lateinamerika vielleicht (aufgrund mangelnder Bildung) an Umweltbewusstsein fehlt, scheint mir hier offensichtlich sein, was unser aller Problem ist – nur dass wir in den Ländern des globalen Nordens gelernt haben und über die Mittel verfügen es zu verstecken oder zu verschieben. Ein Artikel des NABU bestätigt meinen Verdacht: Deutschland poliert seine Recycling-Statistik mittels Müllexporten ins Ausland auf: Was die deutschen Grenzen verlässt, gilt als recycelt.

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/abfall-und-recycling/26205.html#:~:text=Jeden%20Tag%20werden%20somit%20knapp,Deutschland%20in%20andere%20L%C3%A4nder%20transportiert.

Andreas meint, ich akzeptiere nicht, was ist. Das stimmt. Es fällt mir schwer, erscheint mir unmöglich, diesen Müllnotstand zu akzeptieren, vor allem, wenn ich bedenke, dass weiterhin tausende Tonnen Wegwerfmaterial produziert werden, genauer: 400 Millionen Tonnen täglich. Die kurzfristigen Gewinner dieses Notstandes sind wohl die ölproduzierenden Staaten, die Verlierer wir alle. Was ist daran so schwer zu verstehen, dass man sich nicht auf ein Stopp der Plastikmüllproduktion einigen kann?

https://www.tagesschau.de/ausland/plastikabkommen-ohne-einigung-100.html

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