Boston-Breakdown

Ja, das war ein schwieriger Moment, als Mercedes-Service-Michael uns sagte: „Sorry, there is nothing I can do for you.“ Wir konnten ihm wenigstens 300 Dollar „for nothing“ geben. Andreas war deprimiert, wirklich auf dem Nullpunkt. Ich war wütend. Andreas sah nur 2 Möglichkeiten: Zurück nach Halifax, das Auto nach Deutschland verschiffen und die Reise vielleicht in Europa fortsetzen – oder in der Nähe einer Mercedes-Werkstatt zu bleiben bis das Problem wieder auftritt. Beim Gedanken daran, wie viel Zeit, Sorgfalt und Geld er in unseren Camper gesteckt hatte, tat mir der Gedanke, dass das alles nun doch nicht gereicht haben könnte, total leid. Der stärkste Impuls in mir war: „Nein! Wir brechen die Reise hier nicht ab!“

Bis dahin war ich ziemlich gelassen, schließlich hatte das Auto seinen Dienst immer wieder aufgenommen – und ob wir 2 Stunden oder 2 Tage irgendwo standen, machte ja nichts aus. Irgendwie gefielen mir die Unwägbarkeiten ganz gut, immerhin brachten sie uns an Orte, die wir uns selbst nicht ausgesucht hätten. Wer macht schon Urlaub auf einem McDonald-Parkplatz oder auf dem Hinterhof einer Mercedes-Werkstatt? Im Publik-Forum schrieb jemand, dass wir doch immer auf der Suche nach dem verlorenen Paradies seien, insbesondere auf Reisen. Wir haben auf unserer Reise bisher eher die Welt, so wie sie eben ist, gefunden: Fastfood, Highways, Parkplätze – aber dort auch immer wieder kleine Paradiesflecken: den kleinen Strand, den wir in weniger als einer Stunde von McDonald aus erreichen konnten, die ausgedehnten Parkanlagen mit schönen alten Bäumen in Shrewsbury, und natürlich Boston … Und ich wäre von allein nie auf die Idee gekommen, einen 40-minütigen Spaziergang am Highway entlang zu machen, um ein kleines kambodschanisches Restaurant zu erreichen. – Und tatsächlich: Auch am Highway wachsen Blumen und zwitschern die Vögel.

Immer wieder, am Strand, unter einem Baum, auf dem Weg, habe ich eine seltene Entspannung empfunden. Wie früher, als die Kinder klein waren, im Wartezimmer: Es gibt nichts zu tun, wir müssen nirgendwo anders hin, dürfen einfach hier sein.

Aber dass Andreas so down und fast bereit war, die Reise abzubrechen, das machte mir ziemlich viel aus.

6 Anmerkung zu “Boston-Breakdown

  1. Matthias

    Hi ihr 2 notleidende
    @Andreas +491602642823
    Das ist die Nr von Benni du hattest schon Kontakt mit ihm ruf ihn an und schildere ihm euer Problem ich denke das Hilft.
    Grüße aus dem Schwarzwald
    Matthias

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  2. Doris

    Ich musste innerlich grinsen bei dem Satz „Andreas war deprimiert …. Ich war wütend.“ Es spiegelt so sehr eure Grundmuster in ein und derselben Situation wieder.
    Und ich bin voll Bewunderung dafür, dass du auch das Geschenk dieser Situation nimmst: trotzdem immer wieder kleine Paradiese zu finden.

    Ich drücke euch die Daumen, dass die Reise entspannter weiter geht!!!

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  3. Martin

    Hoi ihr Beiden,

    ich würde auf so ein Problem eher so reagieren wie Andreas. Wenn die Welt nicht so mitmacht wie ich es mir vorgestellt habe, dann bin ich schnell sehr frustriert – vor allem dann, wenn ich mir vorher viel Gedanken um die Sache gemacht habe und große Mühe und Sorgfalt habe walten lassen, damit alles gut gelingt. Dass das aufs Gemüt schlägt ist klar – vor allem dann, wenn die Sache nicht oder nur unzureichend wieder in Ordnung gebracht werden kann und man in Unsicherheit weitermachen muss. Außerdem entstehen Gefühle der Ohnmacht und Wut auf die höheren Mächte, die einen so was bescheren. Mein Bild dazu: Gott schmeisst mir immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Er ist also doch kein lieber Gott. SO kann man den Spruch „Ach du lieber Gott“ auch verstehen.

    Mein Lösungsversuch in solchen Situationen ist, die Situation anzunehmen wie sie eben ist, obwohl sie nicht so ist, wie ich bzw. wie mein Ego sich das wünscht. So ähnlich wie Stefanie es hier im Post beschreibt. Das führt letztlich zu ungeplanten und unerwarteten Situationen, in denen man auch wieder Spannendes und Gutes entdecken kann.

    Sicher ist: Die Vögel zwitschern weiter, die Sonne scheint weiter, das Leben geht weiter und irgend eine Lösung gibt es am Ende immer. Vielleicht nicht so, wie ich mir das gewünscht habe, aber ich habe immer noch die Möglichkeit, aus der neuen Sitation das Beste zu machen, was mir möglich ist – oder eben auch das Schlechteste.

    Ich hoffe, das klingt jetzt nicht nach „gutem Ratschlag“. Ich wollte damit bekräftigen: Ich kenne sowas ganz gut und fühle mit Euch.

    Alles Gute und Grüße aus Gailingen am Hochrhein von
    Martin

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    1. Andreas

      Lieber Martin, das ist so wohltuend, dein Mitschwingen mit unserer Situation. So sind wir nicht ganz alleine mit dieser Situation. Vielen lieben Dank

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