Während in der Werkstatt nach der Ursache des Kühlwasserproblems geforscht wird, haben wir Zeit, uns Managua anzuschauen.
Nachdem wir am Vortag bereits eine gute Wäscherei, ein weniger gutes Restaurant, den Walmart, unser Art-Hotel und die Wege und Straßen dazwischen erkundet haben, zieht es uns heute ins Zentrum. Und das ist die „Plaza de la Revolución“. Dort ist der Palacio Nacional, mit einem Museum über die Geschichte Naicaraguas,

das „Haus der Dörfer“ …

und die Kathedrale.

Sie würde eine gute Kulisse für einen Horrorfilm abgeben. Ich habe noch nie ein so monumentales, so schaurig-morbides Gebäude gesehen.

Ganz ohne Glanz und Würde steht sie da, neben der sauberen neoklassizistischen Architektur der sozialistischen Staatsgebäude.

„Der Friede ist unser Sieg!“
Das leuchtende pinke Banner mit der gelb-strahlenden Schrift scheint dem verfallenen Gebäude und der Institution dahinter zu spotten.
Die Plaza de la Revolución ist ein markanter Ausdruck der Politik des Staatsführers Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario.


1979 hatte er als Vertreter der Linken die rechtsgerichtete und US-freundliche Dynastie der Somoza-Familie abgelöst. Mit einer Unterbrechung von etwa 15 Jahren regiert er seitdem und hat sich offenbar immer mehr zum Autokraten entwickelt, der keine Opposition neben sich duldet – auch keine kirchliche.
Nach Studenten protesten 2018 verschärfte er seinen Kurs. 2022 verbot er 1500 Nichtregierungsorganisationen die Arbeit im Land, darunter auch einigen evangelikalen Freikirchen. Am schlimmsten trifft die Repression die Karholische Kirche. Seit 2021 wurden Bischöfe und Priester, ebenso wie Oppositionspolitiker, die es wagten, Kritik an der Ortegas Politik zu üben, des Terrorismus beschuldigt, inhaftiert oder ausgewiesen. Die von Jesuiten geleitete Universität Centroamericana – eine „Hochburg des freien Gedankenguts“ – wurde geschlossen, die Gebäude enteignet. Im Sommer 2022 wurden katholische Radio- und Fensehsender, die letzten Medien, in denen regierungskritische Meinungen laut wurden, geschlossen. Die Mitarbeiter wurden durch Polizeibeamte aus ihrem Job regelrecht hinausgeprügelt.
Dabei hatte 1979 alles so gut angefangen. An der Seite der linken Revolutionäre hatten auch Vertreter der katholischen Kirche gestanden. Allen voran der Priester und Dichter Ernesto Cardenale.

Er hatte 1965 auf einer abgeschiedenen Inselgruppe im Großen Nicaraguasee die klosterähnliche Kommune von Solentiname gegründet. Die Bauern, die dort lebten, hatte er ermutigt, das Evangelium sehr einfach und ganz politisch, sprich: revolutionär, zu verstehen. Nach 12 Jahren setzte Diktator Somoza dem Projekt von Solentiname ein Ende. Ernesto Cardinale schloss sich dem bewaffneten Kampf für die Revolution an der Seite Daniel Ortegas an. Nach dem Sturz Somozas wurde er Kulturminister Nicaraguas. Zusammen mit Ortega sorgte er für eine breite Alphabetisierung, und öffnete auch den Armen den Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Cardenale wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, erstarb vor 4 Jahren, aber er war schon sehr lange nicht mehr mit der Polirik Ortegas einverstanden.
2018 skandierten die Studierenden: „Somoza und Ortega, das ist dasselbe!“
Gibt es so etwas wie ein Autokratenvirus?