Echt alternativ …

ist übrigens Mazunte, einer von mehreren Küstenorten im Süden, die wahrscheinlich einmal ziemlich von der Hippy-Szene geprägt wurden. (Dem Verlauf unserer Reise nach gehört dieser Artikel vor „Oaxaca“). Jetzt ist das Städtchen bevölkert von vielen mehr oder weniger jungen „bewussten“ Leuten, die meditieren oder gemeinschaftliches Leben ausprobieren, vegane Köstlichkeiten oder Ökokleidung, Silberschmuck oder Shibari-Kurse anbieten.

Auf dem Campingplatz werden wir von einem sehr blonden, jungen Mann – ich nenne ihn mal „Olaf“ -, der eine lange Kette aus verknoteten Kokosnussfasern um den Hals trägt, mit einem strahlenden Lächeln auf Deutsch begrüßt. „Hallo! Herzlich willkommen! Ich denke, hier neben uns ist noch Platz!“ Der Platz wird von einem italienisch-mexikanischen Paar betrieben und ist richtig schön, gemäß italienischer Ästhetik angelegt – und sehr eng. Außer unseren Nachbarn, die mit zwei kleinen Kindern unterwegs sind, gibt es mindestens noch 2 weitere Familien mit kleinen Kindern am Platz.

Die Kinder sprechen wahlweise Spanisch oder Deutsch. „Olaf“ ist mit seiner Frau seit dreieinhalb Jahren unterwegs. Ihre beiden Töchter sind in Mexiko geboren. Ich bin beeindruckt. „Wie finanziert ihr euch?“ Die Frage ist vielleicht etwas indiskret, aber „Olaf“ antwortet offen: „Dies und das. Meine Frau ist Künstlerin … Ich gebe online-Coachings … ein bisschen Trading.“ Krass, das finde ich einen alternativen Lebensstil!

Bemerkenswerter Weise stelle ich bei der Vorstellung, auch so zu leben fest, dass mir etwas fehlen würde. Ist es nur mein anerzogener Leistungsanspruch, nach dem Motto: „Man muss doch mal was Ordentliches arbeiten!“ Oder ist es auch die Sehnsucht nach Anbindung, Verbindlichkeit, nach tieferer Verbundenheit mit einem festen Kreis von Menschen? Ist es vielleicht auch die Hoffnung, mit der Erfüllung einer fest-umrissenen Arbeitsstelle meinen Beitrag zum Leben leidten zu können?

Und: Wenn füttere ich eigentlich mit „ordentlicher“, d. h. in ein Profitsystem eingebundener Arbeit, wenn man eine Familie offensichlich auch mit nicht-ordentlicher Arbeit und dafür mit mehr Präsenz, einem breiteren Erfahrungsspektrum und mehr Abenteuer ernähren kann?

2 Anmerkung zu “Echt alternativ …

  1. Martin

    Tja, das sind Fragen, die ich mir auch ab und zu gestellt habe und auch noch heute stelle. Ich glaube, die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist: Wie diene ich der hellen Seite des Lebens (oder eben Gott oder der Liebe) am besten und am sinnvollsten mit meinen ureigenen Kompetenzen, Möglichkeiten, meiner ureigendsten Lebensfreude? Und vielviel Selbstbezogenheit steckt hinter dem, wie ich mein Leben gestalte? Was genau bedeutet Freiheit für mich und was bedeutet Freiheit im Hinblick auf die Liebe, auf Gott? Wieviel Ego „muss“ ich noch (er)leben, um es – endlich! – ablegen zu können? — Alles ziemlich individuell zu beantworten und zum Leben zu bringen. Und man muss schon sehr genau hinschauen, um die tieferen Motivationen bei sich und anderen zu erkennen. Und ich versuche, mich mit Urteilen über die verschiedenen Lebensentwürfe immer mehr zurückzuhalten und stattdessen eher darauf zu schauen, ob die anderen versuchen, aus ihrer Liebe heraus und mit Mitgefühl, Respekt, Wahrhaftigkeit und Dankbarkeit leben (oder eben nicht).

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    1. Stefanie Autor des Beitrags

      Lieber Martin,
      ja, wie diene ich der hellen Seite des Lebens? Das ist eine gute Leitfrage! Und dass die eigene tiefempfundene Lebensfreude dafür ein Indikator sein könnte, ist das nicht wunderbar?Nicht besonders viel Anstrengung, nicht Leiden, sondern Freude!
      Jetzt gerade, wo wir hier einem Lebenstraum folgen, uns damit eine große Freude erlauben, ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich diese Freude zurückdränge. Ist es erlaubt, sich so etwas Großartiges zu erlauben? Diene ich damit dem Ego? – Für mich ist es eine tägliche Übung, dieses Reisegeschenk anzunehmen und dankbar zu sein und mich zu freuen. Die Versuchung ist groß, auch hier die bekannten Mechanismen von Anstrengung und Druck wirken zu lassen.
      Danke für den anregenden Austausch!

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