El Präsidente – Auch eine Einwanderergeschichte

Im Migrationsbüro an der Grenze zu El Salvador strahlt uns von einem abgelaufenen Wandkalender das Bild des jungen Präsidenten entgegen. „Das ist euer Präsident?“, spreche ich einen der Beamten an. „Ja!“ „Er ist ziemlich …“ – ich suche nach dem richtigen Wort. „Er ist sehr bekannt“, ergänzt er und in seinem Lächeln meine ich Stolz zu erkennen.

Nayib Bukele wurde 2019 an die Spitze des Landes gewählt. Seine Großeltern wanderten in den 20erJahren aus Palästina nach El Salvador ein. Also ein steiler Aufstieg, vom Flüchtlingskind zum ersten Mann im Staat? Na ja, schon sein Vater war wohl als Geschäftsmann ziemlich einflussreich. In seiner Werbeagentur lernte der Sohn, Menschen und Meinubgen groß zu machen. Seit Nayib beschloss, in die Pokitik zu gehen, wusste er diese Kenntnisse für sich selbst zu nutzen. Bereits seit wir in Mexiko waren, haben wir immer wieder anerkennende Worte über ihn gehört. Und ich finde, er kommt durchaus sympathisch rüber.

Bis zu seinem Amtsantritt galt El Salvador jahrelang als das gefährlichste Land Lateinamerikas, oder sogar der Welt. Die gefürchteten Maras, die Jugendbanden Mara Salvatrucha 13 und die Mara Barrio 18, verbreiteten Angst und Schrecken, insbesondere in der Armenvierteln El Salvadors. In der Broschüre „Ich hatte einen Traum“ erzählt Juan Pablo Villalobos die Geschichten von Kindern und Jugendlichen, die in den 2010er Jahren aus Guatemala und El Salvador flüchteten. Sie berichten von Drangsalierungen auf dem Schulweg, von Erpressung und der Ermordung der Oma, bei der sie aufwuchsen – und von den Gefährdungen auf der Flucht, von Todesangst und Heimweh. Andere schlossen sich den Banden an, die – dank Waffen, Drogen und Geld – ein vielleicht kurzes, dafür intensives Leben versprachen. Mehr als 80 Morde pro 100.000 Einwohner gab es in dem kleinen El Salvador 2016. Inzwischen ist die Rate der Morde eine der niedrigsten der Welt.

Wie hat er das geschafft, der junge Präsident? – „Er hat all die schlechten Leute ins Gefängnis gesteckt!“ Das hatte und schon Olessio in Mexiko verraten. Dazu hat er im März 2022 den Ausnahmezustand über das Land verhängt und seitdem immer wieder verlängert. So können bei Rasterfahndungen durch Polizei und Militär alle, die auch nur annähernd verdächtig sind, schnell, ohne großes Aufheben, sprich: ohne gerichtliches Verfahren und lange Beweisaufnahme, hinter Gitter gebracht werden. Lebenslänglich. Die Haftanstalten sind überfüllt mit jungen Männern zwischen 18 und 35 Jahren.

Die Nachhaltigkeit dieses Projekts ist sicher zu bezweifeln. Aber die Erleichterung im Land ist deutlich zu spüren. Mit seiner Politik der harten Hand hat Nayib Bukele dafür gesorgt, dass wir hier unbeschwerte Urlaubstage verbringen können. Dafür hat er die Demokratie abgeschafft. Aber das stört hier kaum jemanden. Wichtiger als freie Wahlen und mehr schlecht als recht funktionierende demokratische Regierungen ist den meisten, dass sie sich frei bewegen, Freunde und Familie treffen, feiern und ihre Kinder zur Schule schicken können.

Brauchen wir solche autokratischen Typen wie Bukele, die „sich was trauen“, um drängende Probleme anzugehen? Sind die demokratischen Mühlen zu langsam, die Abhängigkeiten der Parteien nach verschiedenen Seiten zu stark, um zum Beispiel dem Klimawandel, der Armut, der sozialen Ungerechtigkeit in der Welt mit gebührender Effizienz entgegenzutreten?

  • Nur blöd, dass all die „starken Männer“ sich offensichtlich weder für den Klimawandel noch für nachhaltige Sozialpolitik interessieren.

Beim Aufstieg zum Vulkan Atacenando in Guatemala vor Weihnachten, kam ich mit „Ami“, einem jungen Mann aus Los Angeles ins Gespräch, dessen Eltern (wegen der Bandenkriege) aus Lateinamerika geflüchtet waren, der Vater aus Guatemala, die Mutter aus El Salvador. In den USA konnten sie ihren Kindern ein freies Leben und eine gute Schulbildung ermöglichen. * Jetzt überlegt „Ami“, in welchem Land er leben möchte: in den USA, Guatemala oder El Salvador. Als amerikanischer Staatsbürger hat er alle Freiheiten. Bis jetzt.

*Was sie ihren Söhne auch vermittelt haben, war, dass die USA nicht wenig zur Entstehung der Maras beigetragen haben. In den 80er Jahren tobte in El Salvador ein Bürgerkrieg zwischen der rechtsgerichteten Militärregierung, die von den USA unterstützt wurden und linken Guerilla-Gruppen, an deren Seite die Sovjetunion stand. Auch damals kämpften schon Kinder und Jugendliche mit Waffen. Andere flüchteten in den Südwesten der USA. Um sich gegen die dort herrschende Gewalt zu verteidigen, schlossen sie sich zu Banden zusammen. Hier entstand die gefürchtete Mara Salvatrucha 13. Als die USA dann in den 90er Jahren ihre Abschiebepolitik verschärfte, wurden viele Bandenmitglieder ausgewiesen. Nun bekriegen sich die Banden in El Salvador weiter. „In den 1990er-Jahren, nach dem Ende des Bürgerkriegs, hat sich niemand darum gekümmert, dass wir El Salvadorianer unsere Erlebnisse aus der Kriegszeit aufarbeiten. Viele von uns sind in der Gewalt des Krieges aufgewachsen, haben erlebt, wie sich Soldaten und Guerilleros gegenseitig umbrachten. Sie waren alle Salvadorianer, standen aber auf zwei unterschiedlichen Seiten. Heute sind es immer noch zwei Seiten, nur die Namen haben sich geändert: Heute kämpft die Mara Salvatrucha gegen die verfeindete Mara 18.“

erklärt ein Sprecher.

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