Geschichten

Nach 3 Tagen Strandleben sind wir zurück in der City. Es gibt noch ein paar Details am Sprinter zu reparieren. Dazu haben wir den sichersten Ort für diese Zwecke ausgesucht: Carlos‘ Werkstatt. Hier stehen wir vor der Bäckerei und haben den Morgen mit frischen „deutschen“ Brötchen begonnen.

Carlos selbst ist gerade in den USA, um sich einem medizinischen Eigriff zu unterziehen. Wir wünschen ihm, dass alles zu seinem Besten verläuft! – Der Werkstattmeister, Johann, spricht fließend Deutsch, was eine große Erleichterung ist. Auch Johann hat einen Migrationshintergrund: Sein Großvater kam 1923, als in Deutschland die Superinflation tobte, und die Zeiten für die meisten Menschen äußerst mager waren, nach Guatemala. Er arbeitete zunächst auf eine Hazienda als Buchhalter, machte sich später selbständig und produzierte „Echt Kölnisch Wasser“, hier in Guatemala.

Wir hatten bereits von Carlos‘ Frau gehört, dass es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine beachtliche Anzahl deutscher Einwanderer in Guatemala gab. Ihre Großeltern waren Teil einer starken Einwanderungswelle um die 1890er Jahre. „Was bewegte Deutsche, ausgerechnet nach Guatemala auszuwandern?“ (- ein Land, das für mich vor unserer Reise eine unbeschriebenes Blatt und von null Interesse war.) Die Antwort: „Kaffee!“. Der damalige guatemaltekische Präsident hatte eingeladen, hier günstig Land zu erwerben und Kaffe anzubauen. Dass dazu Dörfer der ansässigen Keckchí, die bis dahin dort Mais und Bohnen angebaut hatten, aufgelöst, Menschen vertrieben oder zu billigen Arbeitskräften (Sklaven?) degradiert wurden, wurde nicht so laut gesagt. Laut ist dagegen immer wieder zu hören, dass die Deutschen während des Zweiten Weltkrieges enteignet und die Männer nach Amerika deportiert wurden. Ja, das war schlimm, besonders für die „mit nichts“ zurückbleibenden Frauen und Kinder. Der Grund lag, so ist zu lesen, wohl darin, dass sich Deutsche laut und offen zum Nationalsozialismus bekannten. Hakenkreuzfahnen auf den Haziendas, Hitlergruß vorm Nationalpalast. Irgendwann griffen die US-Amerikaner ein. – Bis dahin waren zwei Drittel des landesweiten Kaffeeanbaus in deutscher Hand. Nach dem Krieg gehören Carlos‘ Schwiegereltern zu den Glücklichen, die ihren Besitz zurück erhalten. Andere verlegen sich auf den Handel mit Kaffee, wohl auch ein lukratives Geschäft. Ende der 70er Jahre kam es nocheinmal zu „Zwischenfällen“, „als der Kommunismus im Land tobte“. Anders ausgedrückt: Als Teile der indigenen sich trauten, für ihre Rechte einzustehen. Am 29. Mai 1979 kommt es auf Befehl eines Deutschen Generals in Alta Vera Paz, einem von Deutschen dominierten Gebiet, zu einem Massaker, bei dem mehr als 100 Menschen erschossen und viele vertrieben werden.

„Die Zunahme deutscher Interessen ging mit der Entwicklung des Landes (Guatemala) gleichen Schritts“, behaupteten deutsche Großgrundbesitzer. Und tatsächlich habe ich den Eindruck, dass zum Beispiel Carlos‘ und seine Familie hier Standards setzen, was die Arbeitsmoral auf der einen Seite, aber auch die unternehmerische Fürsorge auf der anderen Seite betrifft. So bekommen alle Arbeitnehmer*innen für 1 Quetzal/Tag drei Mahlzeiten, die im Unternehmen selbst jeweils frisch zubereitet werden. Das Arbeitsklima scheint gut, man hört Lachen und Musik und alle sind sehr freundlich.

Die „deutschen“ Brötchen schmecken wie zu Hause.

1 Anmerkung zu “Geschichten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert