Heilige Mission

Wir fahren noch einmal nach San Antonio zurück. Die Gründungsgeschichte des Staates Texas ist eng verbunden mit fünf Missionsstationen, die die Franziskaner im 18. Jahrhundert am San Antonioriver errichteten. Und da ist es wieder, das Thema, das mich während dieser Reise immer wieder beschäftigt, aufwühlt, verwirrt: Die Rolle der christlichen Mission bei der Kolonisierung der „neuen Welt“.

Was auf den ersten Blick so beschaulich aussieht und nach guten Absichten klingen mag, ist Teil einer weitreichenden Strategie, mittels derer man sich die neuen Länder aneignen wollte. Als die Machthaber erkannten, dass „Neu-Spanien“ niemals so viele Siedler anlocken würde, dass diese Länder ausreichend besiedelt, bebaut und vor Eroberungszügen anderer Kolonialmächte bewahrt werden könnten, entschied man sich, die ursprünglichen Bewohner nicht mehr zu bekämpfen, sondern sie in das neue Reich zu integrieren.

Dazu wurden Missionare ausgesandt, die den „Wilden“ den christlichen Glauben (europäischer Ausformung) nahebringen und sie zu folgsamen Bürgern des spanischen Reiches erziehen sollten. Die Franziskaner, die damals noch blaue Kutten trugen, nahmen dabei eine Hauptrolle ein.

„Franziskanermönche dienten der Kirche als Priester, Lehrer und Beschützer der Indianer. Sie dienten dem König als Kundschafter, Diplomaten, Kartographen, Baumeister und Schreiber/Berichterstatter.“

Diese Brüder waren gut ausgebildet, nicht nur in der Auslegung der heiligen Schrift. Sie betrieben Landwirtschaft, erbauten Kirchen und Festungen und brachten den indigenen Bewohner die zivilisatorischen Errungenschaften Europas nahe. Missionsstationen waren Orte des „kulturellen Übergangs“, man könnte auch sagen der Umerziehung.

Warum setzten sich die indigenen Stammesgemeinschaften, die bis dahin als nomadische Jäger und Sammler gelebt hatten, dem aus? – Dafür gab es zwei zwingende Gründe:

Der erste waren die Apachen, nomadische Indianerstämme, die, weil sie (mittels französischer Waffen) von anderen indigenen Gruppen wie den Komanchen, in die Enge getrieben wurden, ihre Gebiete nach Süden hin zu erweitern und damit ihr Überleben zu sichern versuchten. Dabei schreckten sie nicht davor zurück, die Krieger anderer Gruppen zu töten und ihre Frauen zu rauben.

Der zweite Grund waren bis dahin unbekannte Krankheiten, die viele der Ihren binnen kürzester Zeit sterben ließen. Auch davor suchten sie Schutz in den Missionsstationen. Außerdem ließen ihre religiösen Vorstellungen durchaus Verbindungen zum katholischen Glauben zu. Zentral war dabei die Jungfrau Maria, die sie mit ihren Vorstellungen einer göttlichen Mutter (oder der „Großen Mutter“, der Patchamama) identifizieren konnten. Auch der Glaube an die Rückkehr eines Gottes, der als gefiederte Schlange dargestellt wurde, und von dem eine Prophezeiung sagte, er werde als hochgewachsener Mann über den Ozean von Osten her wiederkehren, mag dazu beigetragen haben, dass sich Indigene den Missionaren anvertrauten. Jedenfalls waren viele bereit, ihre bisherigen Lebensgewohnheiten aufzugeben und von den Brüdern ein anderes Leben zu lernen.

Tragischerweise machten die von den Europäern eingeschleppten Krankheitserreger nicht vor den klösterlichen Mauern Halt, so das innerhalb von 10 Jahren etwa 80 % der dort nun als brave Bauern lebenden Indianer starben.

Übrigens lernten sie auf diese Weise auch das Reiten. Pferde waren in Amerika ausgestorben. Sie wurden erst von den Europäern wieder eingeführt. In den Missionen, die außerhalb ihrer Mauern große landwirtschaftliche Flächen besaßen und auch Viehzucht betrieben, lernten junge „Vaqueros“ (Cowboys), Vieh (Büffel?) einzufangen gefügig zu machen.

In Texas war dieser missionarische Umerziehungsprozess allerdings nur im Hinblick auf wenige Stämme erfolgreich. Weil außerdem so viele nun „brave Bauern“ an europäischen Krankheiten starben, zogen Missionare bis weit in mexikanische Gebiete, um mehr Indianer „anzuwerben“. So wurden die Missionsstationen auch zu einem Ort genetischen Austauschs und aus verschiedenen indigenen Gruppen und durchaus auch einigen „brüderlichen“ europäischen Genen entstand ein „neues Volk“.

Ein Nebeneffekt dieser missionarischen Strategie war, dass sich das Klima veränderte. Früher war Südwesttexas eine sehr feuchtbare, grüne Graslandschaft, wo Menschen und Tiere wie Büffel reichlich Platz und Nahrung fanden. Die Indianer pflegten regelmäßig begrenzte Gebiete abzuflämmen, was zum einen den Effekt hatte, dass sich die Vegetation dort verjüngte, zum anderen die dort weidenden Tiere vertrieb. Als diese Feuer ausblieben, wurden die Gebiete überweidet, es regnete weniger. Heute ist dort Buschlandschaft. Die Büffel sind bekanntlich ausgestorben.

Was hat die christliche Mission nun Gutes gebracht?

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