Nicaragua 2

In vier Tagen haben wir Nicaragua durchquert. Diesmal von Costa Rica aus Richtung Honduras, also von Süd nach Nord. Auch sind wir diesmal auf der anderen Seite des großen Nicaraguasees, den die Einheimischen „Lago Cocibolca“ oder „Mar Dulce“, süßes Meer nennen, gefahren. Tatsächlich ist er fast so groß wie ein Meer und war wohl vor Urzeiten auch Teil des Ozeans. Es soll dort sehr viele und zum Teil besondere Fische geben. – Nein, ich rede jetzt nicht über den Müll, den die Wellen in Granada und an anderen Stellen rund um den See an Land spülen. – Diesmal erscheint er uns von unserem Platz neben der Feuerwehrstation in San Michelito, am Südostufer, in romantisches Abendlicht getaucht.

Auf der anderen Seite der Straße wühlen ein paar Schweine im Nachbarhof nach Essbaren. Fast romantisch.

Die großen Sehenswürdigkeiten Nicaraguas befinden sich im Norden und Westen des Landes. Hierher, in die östlicheren Landesteile verschlägt es wohl nur wenige Reisende. Die Menschen, die hier in Dörfern ohne befestigte Straßen leben, sind offensichtlich größtenteils arm.

Eine einfache Holz-Wellblech oder Betonhütte, ein Schwein, ein Brunnen und eine aus Plastikplane und Zementsteinen gezimmerte Außentoilette. Viele gehen zu Fuß, einige fahren Moped und immer wieder begegnen uns auch „Cowboys“ zu Pferd.

Wer so viele Kühe hat, kann sicher schon als reich betrachtet werden. – Oder gehört diese Herde vielleicht mehreren Familien oder einem ganzen Dorf? –

Ziemlich weit im Norden, im Gebirge, liegt Matagalpa, die Stadt mit den steilsten Straßen, die ich bisher erlebt habe. (San Franzisko ist eine flache Ebene dagegen.)

Die Gegend um Matagalpa ist traumhaft. Hier wird viel Kaffe angebaut und es gibt tatsächlich auch Nebelwald, wie in Costa Rica. Mitten in der gebirgigen Nebelwaldwildnis haben sich Jürgen und Anabel, ehemals aus Regensburg, niedergelassen. Seinen Job als Lehrer in Managua hat Jürgen aufgegeben. Stattdessen baut er nun ein bisschen Kaffee an und unterhält neben seiner Finca ein paar Ferienhäuschen und einen Platz für unseren Sprinter.

Der Nicaragua-Kaffee. Da werden wieder die Erinnerungen an meine Schulzeit wach. „Kauft Nicaragua-Kaffee!“ „Gegen die Contras!“ Ich habe damals nicht wirklich verstanden, worum es ging, dazu war ich nicht links genug. Aber für viele Altersgenossen in der linken Szene war Nicaragua nach der Revolution 1979 ein Hoffnungsträger: ein Land, in dem Sozialismus und Christentum zusammen gingen, ein Experiment eines demokratischen Sozialismus, der Meinungs- und Pressefreiheit erlaubte, wo offene politische Diskussionen stattfanden.

Die Euphorie soll groß gewesen sein, aber ebenso der Widerstand, der von der USA unterstützt wurde. Schließlich siegte der Widerstand. Der Sozialismus wurde abgewählt. Von der Aufbruchstimmung der 80er ist nichts mehr zu spüren, obwohl die schwarz-roten Fahnen der Sandinisten immer noch wehen, besonders hier im ländlichen Norden. Und der altgewordene Revoluzzer und jetzige Autokrat, Daniel Ortega, grüßt mit seiner ebenso alt gewordenen Genossin, Rosario Murillo, in jedem Dorf von überlebensgroßen Plakaten, so als habe die Revolution gerade erst begonnen.

Aber da ist kein Funke von Kampfeslust zu spüren. Die Menschen scheinen sich mit ihrer Armut und den Beschwernissen ihres Lebens einfach abgefunden zu haben. Und die, die den Weitblick und den Spielraum hätten, etwas zu bewegen, so wie unser „Freund“ Frank von Mercedes Manugua, die sind zufrieden, wenn ihr Business läuft. Ein freier Markt scheint Freiheit genug zu bieten, um Menschen „zufrieden“, zumindest ruhig zu halten. Über Politik redet man nicht.

Wir verlassen Nicaragua – erleichtert.

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