„Paul“

Von San Antonio aus sind wir in Richtung „Enchanted Rock State Park“ unterwegs und freuen uns auf ein paar Wandertage im texanischen Hills County. Da taucht vor uns ein silberner Pickup auf. Er blinkt rechts und der Fahrer macht außerden Handzeichen, die ich nicht deuten kann. Dann fährt er rechts ran. Andreas sagt: „Fahr weiter, ich weiß nicht, was er für ein Problem hat, aber es ist nicht unseres.“ Also fahre ich weiter. Aber so schnell sind wir ihn nicht los. Der Pickup überholt uns, blinkt und fährt wieder rechts ran. Hartnäckiger Typ!

Diesmal folgen wir ihm und halten hinter ihm. Andreas sagt: „Bleib sitzen. Er soll kommen, wenn er was will.“ Also bleibe ich sitzen und kurble als kleine Geste des Entgegenkommens die Scheibe herunter.

Aus dem Pickup schält sich ein Mann, etwas älter als wir, und kommt auf uns zu.

„Ja, seids ihr aus Deutschland?“ fragt er in astreinem Oberbayerisch. „Ja! Bist du Deutscher?“ fragen wir in plattem Hochdeutsch zurück, was nicht nötig gewesen wäre, da deutlich hörbar.

„Paul“ hat ein Grundstück ganz in der Nähe des Enchanted Rock und lädt uns ein, bei ihm zu stehen, statt für einen Campingplatz zu bezahlen. Und sein Platz ist im wahrsten Sinne des Wortes „spitze“: hoch auf einem Hügel, weithin sichtbar ist das fast bayrisch aussehende Haus mit 24 Hektar Platz drumherum.

Außer dem Wind und Vogelstimmen ist hier oben nichts zu hören.

Bei einem Glas Orangensaft klären wir die wichtigsten Dinge: Paul ist seit 30 Jahren in Texas, allerdings immer nur für ein halbes Jahr; die Sommer verbringt er in Deutschland, bzw. jetzt in Österreich.

„Wie kommst du ausgerechnet nach Texas?“ interessieren wir uns. Paul erzählt, er habe Traktoren gesammelt – auch kein alltägliches Hobby! – und dafür u. a. ein amerikanisches Magazin abonniert. Irgendwann sei er zusammen mit seiner Frau, Hildegard, nach Fredericksburg zu einer Traktorenausstellung gekommen. Zur Feier des Tages habe er Lederhosen und Hildegard ein Dirndl getragen. Und da habe man sie auf der Straße immer wieder auf Deutsch angesprochen. Das habe ihnen so gefallen, dass sie dieses Grundstück gekauft und das Haus gebaut hätten – mit ihrer eigenen Hände Arbeit! Leider ist Hildegard letztes Jahr verstorben.

Einige von Pauls Traktoren stehen inzwischen in Österreich im Museum. Aber ihn zieht es jedes Jahr wieder ins Hills County, wo das Wasser so gut ist, dass die Haare wachsen wie Unkraut und man noch wirklich wilden Tieren wie Luchsen, Koyoten, Klapperschlangen, Gürtel- und Stinktieren begegnen kann.

Paul erzählt, dass der Deutsche Adelsverein in den 1840er Jahren 5000 Quadratmilen Land zwischen dem Colorado und dem Llano River gekauft habe. Baron von Meusebach, der von den ansässigen Komanchen wegen seiner roten Haare „El Sol Colorado“ , „Rote Sonne“ genannt wurde, handelte damals einen Friedensvertrag mit den Indianern aus – der einzige, der nie gebrochen wurde, betont Paul. Es habe sogar „deutsche Indianer“ gegeben: Frauen, die sich mit Komanchen-Kriegern zusammen getan hätten, und auch Männer, die mit den Indianern gelebt haben. Einer von ihnen war Herrmann Lehmann, von dem die zdf-Doku „Der letzte Komanche“ erzählt.

Wir bleiben 3 Tage bei Paul. Zum Abschied schenkt er uns eine Tafel deutsche Schokolade.

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