Schlaflos vor dem Vulkan

Die stolze Stadt Antigua Guatemala war einmal Hauptstaft des Landes. Der koloniale Prunk ist im historischen Zentrum noch überall zu erkennen, obwohl viele der Gebäude um 1770 durch ein Erdbeben zerstört wurden. Offensichtlich wurde die Stadt jedoch mit viel Liebe und Mühe wieder aufgebaut und ist nun ein touristischer Knotenpunkt.

Wie der Atitlansee, ist auch Antigua von Vulkanen umgeben. Die Gelegenheit, uns einen dieser geheimnisvollen feurigen Berge anzusehen, will besonders Andreas sich nicht entgehen lassen. Ich bin eher skeptisch: 5 Stunden soll es 1200 Höhenmeter bergauf gehen, gefolgt von einer kalten Nacht auf dem Berg und einem zweieinhalbstündigen steilen Abstieg am nächsten Morgen. Für mich keine sehr anziehende Aussicht. Aber dann ist da ja noch der Vulkan. Also melden wir uns zu einer Tour an und sind am 23. Dezember morgens um halb 7 bei „Witchos&Charlies“ in Antigua, um nach einem kleinen guatemaltekischen Frühstück und mit dem nötigen Equipment ausgerüstet, zusammen mit etwa 28 anderen Touris, von denen wir wohl mit Abstand die Ältesten sind, aufzubrechen. Am Einstieg warten 5 einheimische Tourguides auf uns. Der Weg geht gleich steil bergauf und nach den ersten 15 Minuten bin ich sicher, dass ich es niemals bis zum Ziel schaffen werde.

Dann wird es leichter.

S-e-c-h-s Stunden (mit Pausen) hat es und gekostet. „Despacito, des-pa-ci-to“ laaangsaaam, wie unser Guide, Victor, sagt.

Doch irgendwann sind wir oben und wie so oft, wenn nach einer großen Anstrengung die Anspannung nachlässt, sind wir froh und dankbar, dass wir das gemacht haben. Der Ausblick ist fast surreal: Wir sitzen vor unserer kleinen Schlafhütte, vis-a-vis mit dem Vulkan „Fuego“ und sehen diesem spektakulären Naturschauspiel zu. Alle 5 bis 10 Minuten grollt der Berg und stößt dann eine mehr oder weniger große Rauchwolke aus, von denen sich jede unterschiedlich und einzigartig ausformt, sich verwandelt und schließlich mehr und mehr auflöst. Es ist, als entstiege alle paar Minuten ein neues (Geist-)Wesen dem Erdinnern.

Es ist wie im Kino, auch in so fern, als wir hier nicht allein, sondern mit etwa 100 anderen Leuten auf dem Berghang stehen und in dieselbe Richtung schauen. Vor uns entfaltet sich dieses Naturschauspiel, das eben kein Schauspiel ist, sondern ein wirkliches Ereignis, genauer eine Kette von Ereignissen. Unvorstellbar ist für mich, dass sich diese Ereignisskette seit Hunderten von Jahren immer wieder erneuert. Seit der Zeit Kolumbus ist dieser Vulkan aktiv. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Natürlich haben wir Leute getroffen, die vor uns hier oben gewesen sind und uns Filmchen wie diesen gezeigt haben. Ichcfrage mich, wasbist eigentlichvder Unterschied zwischen Film und wirklicjem Erleben? Und ichvstelle fest, die Unterscheidung ist subti. Im ersten Moment ist es, als kenne ich schon, es ist eben, was zu erwarten war. Erst, als ich zur Ruhe komme, die Kamara weglege und den Körper entspanne, höre ich das Grollen im Innern des Berges nicht nur mit den Ohren, sondern spüre es in meinen Eingeweiden. Ich schaue den sich veränderndern Feursbrunst- und Wolkengebilden zu, erlebe die Spannung zwischen den Eruptionen, empfinde keine Langeweile …

Trotz unserer kuscheligen Hütte wird die Nacht bei der dünnen Höhenunterschied lang und ich bin froh, als sich vor unserem Fenster die ersten Sonnenstrahlen zeigen.

Auch den Abstieg haben wir überstanden, allerdings schmerzt auch zwei Tage später noch jeder Schritt.

6 Anmerkung zu “Schlaflos vor dem Vulkan

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