Stillstand

Wir sind jetzt seit 3 Wochen und 2 Tagen im Ashram. Noch nie waren wir auf unserer Reise so lange an einem Platz. Und das hat einige innere Prozesse ausgelöst. Es hätte wahrlich alles schlimmer können. Und doch, bei aller Dankbarkeit, hatte ich das Gefühl, aufgehalten zu werden. Der immer gleiche Tagesablauf im Ashram, Meditation, Yoga – die immer gleichen Übungen, Putzen, Spaziergang im Wäldchen, Meditation … Small World – das war eine echte Herausforderung. Die Highlights waren unsere Ausflüge in die verschiedenen Autowerkstätten in der City.

Inzwischen haben wir die Nachbarschaft ganz gut kennengelernt:

Den älteren Mann, der uns immer mit „Hey guys!“ begrüßt, und von dem wir jetzt wissen, dass er 55 Jahre in den USA gelebt und in der Army gedient hat.

Den Pfarrer der Kirche „Stadt der Gerechtigkeit“, zu der gerade wieder, wie jede Woche, manchmal mehrmals, zahlreiche fein gekleidete Menschen strömen.

Die Frau in dem kleinen Obst- und Gemüseladen, die kaum Spanish spricht.

Die Jungen, die auf dem Schulhof, den wir täglich auf „unserem“ Weg zum Wäldchen überqueren, Fußball spielen.

Die Frau hinter der blauen Tür, die überraschenderweise in einigen Stapelboxen einen ganzen Friseursalon versteckt, Haare schneidet und auch Socken, BHs und Kinderkleidung verkauft.

Und natürlich die kleine Ashram-Gemeinschaft, die sich hier jeden Sonntag trifft.

Neben einem Fast-Zuhause-Gefühl haben wir unsere Meditationspraxis entwickelt, unser Ernährungskonzept verändert und uns wirklich entschleunigt. Eigentlich ist das ein sehr schöner und intensiver Einstieg in ein neues Jahr. Ich ahne, dass diese Wochen nachwirken werden.

Und dann war da ja auch noch die Sache mit dem Auto. Das war stellenweise nicht ganz einfach und manchmal etwas nervenaufreibend – aber wir haben von so vielen Seiten Unterstützung und Hilfe bekommen, dass es fast schade gewesen wäre, wir hätten das alles nicht erlebt.

Da war die Frau, die neben der Mercedes-Werkstatt wohnte, die uns einlud, bei ihr etwas zu essen und zu trinken und ihr Bad zu benutzen. Letzteres haben wir dann auch in Anspruch genommen und konnten dabei einen kleinen Blick in die Behausungen der Wohlhabenden werfen. „Heidi“ – sie hieß tatsächlich wie meine Mutter – ist Ärztin und arbeitet für Regierungsbeamte.

Währenddessen lag „Gustavo“ am Silvestermittag unter unserem Auto und tauschte die Lenkstange aus. Auch nicht selbstverständlich.

Als ich in irgendeiner Autowerkstatt mit meinem Spanisch wieder mal am Ende war, stand „Jorge“, plötzlich neben uns und fragte in astreinem Deutsch: „Brauchen Sie Hilfe?“ „Ja! Bitte!“ Dank seiner Übersetzung konnten wir klarmachen, was wir wollten und haben bekommen, was wir brauchten.

Das Größte war „Carlos“. Auf unsere Anfrage nach Sprinter-Ersatzteilen in der Panamerikana-whats-App-Gruppe sandte er uns umgehend die Adresse eines Ersatzteilhändlers. Daraus ergab sich ein Telefonkontakt. Er vermittelte uns entscheidende Ersatzteile und brachte uns schließlich mit „Larry“ in Kobtakt, dessen Jungs die Reparatur übernahmen.

Bei diesem ersten Treffen lud er uns gleich zum Essen in sein gediegenes Zuhause ein. Wir erfuhren, dass er mit seinen Eltern 1959 aus dem Rheinland nach Guatemala gekommen ist. Zusammen mit seinen Brüdern hat er hier eine Wurstfabrik, eine Bäckerei und eine Autowerkstatt aufgebaut. In einem seiner Delikatessläden konnten wir echtes deutsches Brot kaufen. Das alles hat mich sehr beeindruckt. Ich denke, wir haben es seinem Einfluss zu verdanken, dass unser Sprinter innerhalb von 4 Tagen repariert war.

Ja, so still war der Stillstand nicht. Wir haben doch einiges erlebt. Und morgen geht es weiter. 😊

2 Anmerkung zu “Stillstand

  1. Andreas Pfeffer

    „Stillstand“ gefällt mir gut als Titel. Schön tiefsinnig. Dazu deine feinsinnigen Worte und diese wunderbaren Menschen auf den Photos. Einen Song dazu würde ich mit „Angels Resthouse“ oder „Buddies By The Road“ betiteln. Muchas Gracias Stefanie! (Gibt Zuversicht angesichts diesen politisch recht(s) düsteren Zeiten.)

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