Heute ist es passiert: Es hat reingeregnet! Bettdecken, Kopfkissen, Matrazze, alles nass! Weil ich das Dachfenster versehentlich nicht richtig zugemacht habe! Hab mich ganz warm und sicher gefühlt während des Gewitters heute Nacht. Hab mir nur Gedanken um Andreas gemacht, der oben im Dachzelt lag. Aber er ist trocken geblieben. Neben mir war alles nass.

Wir sind im Great Smoky Mountain National Park. Und das ist, wie der Name vermuten lasst: Großartig und groß: ein Waldgebiet, das sich über mehr als 2000 qkm erstreckt. (Der Schwarzwald ist insgesamt etwa 6000 qkm groß.) Urwald, seit mindestens 120 Jahren nicht mehr oder noch nie bewirtschaftet. Und es ist „smoky“: neblig, feucht. Nach den vielen Wochen, in denen wir Meer und Hitze genossen haben, tut die feuchte Frische und der würzige Duft der Wälder gut. Nur der Regenguss heute Nacht ist ein bisschen über die Ränder meiner Komfortzone geschwappt.

Der Nationalpark umgasst in etwa das Gebiet, in dem bis vor 200 Jahren die Cherokee lebten und jagten. Im „Museum of the Cherokee People“ am südlichen Rand des Parks können wir ihre Geschichte verfolgen.

Sie hatten schon gelernt, Mais, Bohnen und Kürbis anzubauen. Die dadurch gewonnene relative Nahrungssicherheit gab ihnen Zeit, handwerkliche und künstlerische Fähigkeiten – das Flechten von Körben, die Herstellung von Töpferwaren und Schmuck ebenso wie Waffen und Werkzeuge zum Beispiel – auszubauen und ihre religiösen Vorstellungen und Rituale weiter zu entwickeln. Nicht zu vergessen ihr ausgesprochenes Stilbewusstsein, das sich in ihrem Outfit und in ihren extravaganten Frisuren spiegelte.


Wie man sich denken kann, nahm diese Geschichte mit dem Eintreffen der Europäer um 1500 eine dramatische Wendung. Die Cherokee begegneten den Neuen zuerst recht unvoreingenommen und beobachteten sie, wie sie Dinge taten, die sie nie zuvor gesehen hatten. Tief beeindruckt waren sie von den „Sprechenden Blättern“, durch die ein weißer Mann wissen konnte, was ein anderer weißer Mann an einem weit entfernten Ort, dachte oder sagte. Sequoya, ein Silberschmied, der durch eine Verletzung nicht mehr jagd-und kriegstüchtig war, verbrachte viel Zeit damit, diese Fähigkeit auch seinen Leuten zugänglich zu machen. Er entwickelte ein „Alphabet“ aus 88 Lauten, mit dem alle Cherokee-Worte verschriftlicht werden konnten.

Als immer mehr aus Europa kommende Siedler in das Cherokee-Gebiet vordrangen, versuchte man, durch Verhandlungen und Friedensverträge die eigenen Interessen zu sichern. Einmal reisten sogar Vertreter der Cherokee nach London, um mit dem weißen Chief zu sprechen.

Nach dem Krieg der amerikanischen Kolonisten um die Unabhängigkeit vom Mutterland Großbritannien, verschlechterte sich die Lage für die Cherokee dramatisch. Der „große weiße Häuptling“ in Washington verfügte, dass die Cherokee keine Rechte mehr an ihrem Land besaßen und den weißen Siedlern Pacht für die von ihnen genutzten Gebiete zu zahlen hatten. Schließlich, nach einigen Auseinandersetzungen, erließ Präsident Andrew Jackson die „Indian Removal Bill“ und ließ alle Indianer, die östlich des Missisippi lebten, mit Gewalt nach Westen vertreiben.
Für die Cherokee begann der schmerzvolle „Trail of Tears“, „der Weg, auf dem sie weinten“, von den Smoky Mountains etwa 1500 km westwärts bis nach Oklahoma.



Die schmerzvollen Bilder erinnern an die, die wir von Flucht und Vertreibung aus den ehemals ostdeutschen Gebieten nach 1945 kennen – und auch an die der Trecks der vor Hunger und Unterdrückung aus Europa in die neue Welt flüchtenden Menschen. – Auch hier, in den USA, stellt man sich der Wirklichkeit der eigenen Geschichte und dem unfassbaren Leid derer, die Opfer der neuen Nation der Freiheit waren.
Wie kann es sein, dass wir in Deutschland und in den USA „trotz allem“ heute wieder zusehen, wie Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt und ihren Wurzeln entrissen werden – ja, solche menschenverachtenden Aktionen auch noch öffentlich rrchtfertigen und mit moderner (Waffen-)technologie unterstützen?